REICHT DER EIGENE KÖRPER ALS SPORTGERÄT AUS? ONLINE-FITNESS VS. STUDIOEQUIPMENT


von Andreas Bredenkamp (2020) 


[...] «Trainieren» heißt nicht, sich mehr zu bewegen, sondern sich höher zu belasten. Und dafür reicht der eigene Körper als «Sportgerät» nicht aus. Für viele ist ihr eigenes Körpergewicht zu hoch, für andere ist es zu gering. Und zudem lässt es sich für eine gefahrlose Steigerung der Belastung nicht gut genug dosieren. Verhältnismäßigkeit und Dosierbarkeit! Das sind die zwei wichtigsten Argumente, die für die Ausstattung des Fitnessclubs sprechen und gegen den eigenen Körper als Sportgerät. 

[...] Sollte jemand, der sein eigenes Körpergewicht schon nicht tragen kann, wenn er zuhause die Treppe hochgeht, nun auch noch Joggen gehen? [...] Auch die WHO warnt inzwischen, Laufen alleine reiche nicht aus. Dabei ist diese Warnung längst überfällig, denn Joggen ist nur eine von vielen Formen des Muskeltrainings, und für sich allein genommen eine völlig einseitige. Viele glauben, sie müssten sich mehr bewegen, doch «sich mehr zu bewegen» wird die Probleme nicht lösen. Trainieren heißt, sich höher zu belasten. Das ist ein wichtiges Argument für das Equipment im Fitnessstudio. [...] Ein weiteres Gesetz des Trainings hat Dr. Frederik C. Hatfield, der weltstärkste Mann in der Kniebeuge, unter «Specific Adaptation to Imposed Demands» zusammengefasst. Es besagt, dass jede Veränderung in der Belastung auch zu anderen Anpassungen unseres Körpers führt. Stark vereinfacht heißt das, dass wir unsere Ausdauer verbessern, indem wir länger laufen, und dass wir unsere Kraft steigern, indem wir die Gewichte erhöhen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir unsere Kraft eben nicht steigern, indem wir länger laufen, und dass wir durch zwei Wiederholungen mit schwerem Gewicht eben nicht unsere Ausdauer verbessern. Wir können die eine Trainingsform nicht durch eine andere kompensieren. Im Gegenteil: Umfang und Intensität stehen sich diametral gegenüber.

[...] Intensive Trainingsformen, in denen wir nicht über mehr Zeit die Belastung erhöhen, sondern über die Steigerung des Gewichts, funktionieren am besten an dem Equipment im Fitnessclub. Denn die Gewichte werden zwangsläufig irgendwann so hoch, dass sie das eigene Körpergewicht überschreiten. Spätestens dann reicht das eigene Körpergewicht nicht mehr aus. Warum man dann auf Zusatzgewichte angewiesen sind, ist physikalisch zu erklären: Sowohl unsere Muskelkraft als auch unsere Knochendichte korrelieren mit der Anziehungskraft der Erde. Wären wir nämlich – nur einmal angenommen – auf einem Planeten mit einer höheren Anziehungskraft zur Welt gekommen, und hätten von dort aus mit einem Raumschiff
einen Ausflug zur Erde unternommen, wären wir den Erdbewohnern hier sicher als «Superman» erschienen.

Erinnere dich an 
Neil Armstrongs kleinen Schritt, der ein großer Schritt für die Menschheit war. Dem Erdling geriet sein kleiner Schritt von der Leiter auf den Mond schon fast zu einem Hüpfer. Er hüpfte, weil die Dichte seines Körpers in keinem Verhältnis stand zur geringen Anziehungskraft des Mondes. Stelle dir vor, Neil Armstrong wäre kraftvoll abgesprungen oder er wäre auf dem Mond gestürzt? Glaubst Du, er hätte sich bei der geringen Anziehungskraft des Mondes im Verhältnis zur Dichte seiner Knochen die Knochen brechen können? Das wäre nahezu unmöglich gewesen. Die Dichte seines Körpers hätte ihn unverwundbar gemacht. Allerdings nur kurz. Denn die geringe Anziehungskraft auf dem Mond hätte auf seine Unverwundbarkeit gewirkt wie «Kryptonit» auf Supermans Kräfte. Unser Held hätte seine Superkraft in kürzester Zeit verloren. Und nicht nur seine Kraft. Auch die Unverwundbarkeit aller von seiner Muskelkraft abhängigen Organe. Seine «Superhelden-Knochendichte» beispielsweise wäre in kürzester Zeit dahin gewesen. Und nun stell' dir vor, unser Superman von der Erde wolle auf dem Mond seine Superkraft mit seinem eigenen Körpergewicht trainieren. Hätte er bei der geringen Schwerkraft auf dem Mond mit seinem Körper als Trainingsgerät eine Chance gehabt? Selbst mit 1.000 Liegestützen am Tag könnte er die geringe Schwerkraft des Mondes nicht kompensieren. Ohne Zusatzgewichte ginge gar nichts. Und das gilt auch für unser Training hier auf der Erde. Auch hier wiegen 100 Liegestütze pro Tag das fehlende Zusatzgewicht nicht auf.

Wenn wir also im Alter so «unverwundbar» bleiben wollen, wie wir uns in unserer Jugend fühlten, müssen wir im Training eine höhere Anziehungskraft simulieren als wir sie auf der Erde tatsächlich haben. Nur so bauen wir eine Muskelkraft auf, die uns auch im Alter ein Stück weit unverwundbar macht. Es gibt nur eine Trainingsmethode, die eine vergleichbare Wirkung hat wie das Training mit Zusatzgewichten: Das Niedersprungtraining! Dabei springen sie zum Beispiel von einem Stuhl herunter und auf den anderen wieder drauf. Sprünge jeder Art, auch beim Laufen, wirken sich nachhaltig auf die Knochendichte und die Stabilität unseres passiven Bewegungsapparates aus. Allerdings sind die Belastungen, die bei dieser Trainingsform auftreten, schwer dosierbar. Dort, wo die Kraft nicht ausreicht, um die Knochen, Sehnen und Bänder vor diesen intensiven Belastungen ausreichend zu schützen, schaden sie mehr als dass sie nützen. Dosierbarkeit und Verhältnismäßigkeit! Das sind die Kriterien, die das Training an Hanteln und Maschinen wertvoll macht. Während nämlich das eigene Körpergewicht als Trainingsgewicht für die einen zu hoch ist, ist es für andere zu gering.

[...] Hanteln und Trainingsmaschinen sind für die Muskeln, was die Zahnbürste für die Zahnpflege ist. Ein Pflegeinstrument. Man kann sich die Zähne natürlich auch mit einem Waschlappen putzen, muss man ja aber Gott sei Dank nicht. Und wichtig ist, dass ich nicht einseitig, also nur umfangbetont oder intensiv trainiere. Das ist, als putze man sich die Zähne, aber wüsche sich die Haare nicht. Muskeltraining ist wie die Zahn- und Haarpflege ein Teil der Körperpflege, und die Geräte im Fitnessclub sind wie die Haar- und Zahnbürste Teil des Körperpflege-Sets. Die Amerikaner sprechen von «Tools». Und jede Trainingsform benötigt seine eigenen Tools. So nutzen wir im «Cardio-Bereich» Laufbänder und Fahrräder, und weil Radfahren für die Muskel- und Knochendichte gar nichts bringt, haben wir zu diesem Zweck Hanteln und Maschinen. Und weil die Übungen an den Kraftmaschinen nicht auch gleich die jugendlichen Längenverhältnisse des Muskels erhält, gibt es dafür noch den Bereich für die Beweglichkeit. Wenn Du also im Fitnessclub trainierst, dann nutze alle diese Bereiche [...].